Lichtspuren über dem Matterhorn
Von Patrick Lüthi • 2025-10-15
Eine Nachtaufnahme, die mehr erzählt als Technik: Sie fängt Stille ein, Bewegung und die unendliche Geduld des Fotografen im kalten Wind.

Wenn die Sonne hinter dem Matterhorn verschwindet, beginnt ein Schauspiel, das nur wenige erleben. Die Dunkelheit fällt schnell über Zermatt, und mit ihr kommt eine Stille, die fast greifbar ist. Für Fotografen ist dies der Moment, auf den sie gewartet haben – die Stunde des Lichts in der Nacht.
Mit Stativ und dicker Jacke stehen sie auf den Hängen oberhalb des Dorfes. Die Kameras sind auf das Matterhorn gerichtet, dessen Konturen sich gegen den sternklaren Himmel abzeichnen. Jede Belichtung dauert Minuten, manchmal Stunden. Der Atem gefriert, doch die Konzentration bleibt – jeder Klick ist ein Versuch, Ewigkeit einzufangen.
Die Technik ist nur ein Werkzeug, sagen viele. Entscheidend ist das Gefühl für den richtigen Moment: der Wind, der kurz nachlässt, die Wolke, die vorbeizieht, das Sternbild, das genau über der Spitze steht. Diese Präzision entsteht nicht im Labor, sondern im Erleben – im Warten, im Staunen.
Manche Aufnahmen entstehen in Nächten ohne Mond. Dann leuchtet nur das schwache Licht der Sterne auf dem Schnee. Das Matterhorn wirkt dabei weniger wie ein Berg, sondern wie ein Schatten der Zeit. In diesen Bildern steckt eine Ruhe, die sich kaum beschreiben lässt, aber jeder Betrachter spürt sie sofort.
Wenn am frühen Morgen das erste Licht über die Gipfel zieht, endet die Arbeit. Speicherkarte und Finger sind kalt, doch das Gefühl ist warm. Wer einmal eine solche Nacht erlebt hat, versteht, dass Fotografie mehr ist als Technik – sie ist eine Form des Zuhörens.
Die besten Aufnahmen zeigen nicht das Perfekte, sondern das Ungeplante: eine Wolke, die sich verändert, ein Lichtstrahl, der unerwartet aufflammt. Es sind die Spuren des Zufalls, die das Bild lebendig machen – und die vielleicht das wahre Geheimnis jeder Nacht am Matterhorn sind.