Ein Wochenende auf der Via Alpina
Von Claudia Imhof • 2025-10-14
Von Kandersteg bis Grindelwald – eine Route voller Kontraste. Die Schönheit liegt nicht nur im Panorama, sondern in der Begegnung mit den Menschen entlang des Wegs.

Die Via Alpina ist mehr als nur ein Wanderweg – sie ist eine Reise durch die Seele der Schweiz. Von Kandersteg bis Grindelwald zieht sich der Pfad durch Täler, über Pässe und vorbei an Dörfern, in denen die Zeit stillzustehen scheint. Wer sich auf diesen Weg begibt, erlebt die Alpen in ihrer ganzen Vielfalt.
Am ersten Tag führt die Route durch enge Schluchten und über hölzerne Brücken. Das Wasser tost unter den Füssen, während der Geruch von nassem Stein und Moos in der Luft liegt. Wanderer begegnen sich mit einem stillen Nicken – hier zählt weniger das Ziel als der gemeinsame Rhythmus des Gehens.
Unterwegs trifft man Menschen, die seit Jahren auf der Via Alpina pilgern. Ein älterer Mann aus Bern erzählt, dass er jedes Jahr eine Etappe geht, um den Kopf frei zu bekommen. Seine Geschichten über Begegnungen, Wetterumschwünge und kleine Wunder entlang des Weges klingen wie Kapitel eines fortlaufenden Romans.
Die Landschaft wechselt ständig: grüne Almen, schroffe Felswände, stille Bergseen. In einer Alphütte serviert eine Wirtin Rösti mit Bergkäse und erzählt von den Mühen des Winters. Es ist diese Verbindung zwischen Natur und Mensch, die den Reiz der Via Alpina ausmacht – eine Erinnerung daran, wie eng alles miteinander verwoben ist.
Am zweiten Tag erreicht man den höchsten Punkt der Etappe. Der Wind ist kühl, die Sicht klar, und weit unten liegen die Täler in goldenem Licht. Für viele ist das der Moment, in dem Stille zur Sprache wird – ein Gefühl, das man nicht fotografieren, sondern nur erleben kann.
Abends, in der Unterkunft, werden Geschichten ausgetauscht. Blasen an den Füssen, spontane Begegnungen und das gemeinsame Staunen über die Berge schweißen die Wanderer zusammen. Die Via Alpina ist weniger ein Weg als eine Erfahrung, die zeigt, dass Einfachheit manchmal das grösste Abenteuer ist.
Wenn am Sonntagabend der Zug zurück in die Stadt fährt, bleibt der Kopf noch im Takt der Schritte. Die Via Alpina endet auf der Karte – aber für viele beginnt sie im Innern jedes Mal von Neuem.